| Pressebericht |
| Von der Weißen und der Roten Rose |
| Märchen König
Lindwurm |
WALDKIRCH. Draußen regnet’s, und in der Bibliothek herrscht schummeriges Dämmerlicht. Kerzenschein fällt auf zwei große lange Rosen, auf Glasgefäße, eine Gitarre. Und auf die Gesichter von dreißig Kindern, die sich zur „Märchenreise unter den Linden“ in der Stadtbücherei eingefunden haben. Jedes hält ein Zauberkorn in der Hand, das soll später eingepflanzt werden. Nachdenklich blickt der Erzähler ins Rund und hebt an: Vom Mann, der unter Lindenbäumen träumte, weiß er zu berichten, von der Geschichte um das Königspaar, dem kein Kind geschenkt war. Uralte Zeiten sind das gewesen, mit weisen Frauen und vielen Geheimnissen. So kommt es, daß die Königin im Morgengrauen eine Schüssel durch ihren Garten trägt, daß sie zwei Rosen verspeist, erst eine rote, dann eine weiße. Wundersam geht ihr Wunsch in Erfüllung, aber die Schwarzkunst ist ein ernstes Geschäft und die Herrscherin gar zu willensschwach. So gebiert sie einen Lindwurm. Die Kreatur gedeiht zu bedrohlicher Größe. Heiraten will sie, und so muß eine arme Schäferstochter zur Besänftigung des Reptils herhalten. Vor der Hochzeitsnacht zieht sie sieben Hemden an, und das ist nicht dumm. Aber Märchen stehen nicht in der Zeitung, schon gar nicht der Schluß. Den kann man sich nur von Eingeweihten erzählen lassen. Solchen wie Dirkmarkus Lichtenberger, denn der hat das in der Stadtbibliothek getan. Im Rahmen der Jugendbuchwoche. Mitgebracht hat er auch etwas, und zwar eine Lindwurmhaut, die jetzt an den Wänden der Bücherei zu sehen ist. Auf der durften die Kinder das Gehörte noch einmal malen. Nicht alle waren sich einig, wie Lindwürmer eigentlich aussehen, und sie sind ja auch schon fast ausgestorben, aber „größer als ‘ne Raupe“ werden sie wahrscheinlich schon. Auch daß so geheimnisvolle Tiere genau sieben Segmente haben müssen, leuchtete ein. Wer's genau wissen will, legt sich unter eine Linde. (Aus: BZ im 0ktober 1993) |
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